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Virtuelles Erich Scherer Archiv

 

25jähriges Amtsjubiläum 1973
Ein Auftrag auf Zeit

Rede von Erich Scherer

 

Herr Landrat, mein Damen und Herren!

Sie haben mich mit den Worten ihrer Anerkennung für meine Arbeit in den letzten 25 Jahre geehrt und mir den Dank ausgesprochen. Dies ist für mich eine ganz besondere Situation. Ich stehe ungern im Mittelpunkt und doch freue ich mich sehr darüber, daß sie alle sich hier mit mir zusammengefunden haben, um dieses Jubiläum zu begehen. 25 Jahre Bürgermeister zu sein, wäre im Grunde genommen kein besonderer Anlaß zu dieser Feier, wenn sich die Arbeit des Bürgermeisters nicht von dem Vertrauen der Bürger ableiten und sich letztlich auf die ganze Gemeinde auswirken würde. Er ist für die Gemeinschaft, für alle Bürger tätig. Bürgermeister und Verwaltung sind zwar Bindeglied, Brücke zwischen Bürger und Staat, doch muß die helfende und beratende Tätigkeit gegenüber der rein verwaltenden im Vordergrund stehen. Sicher gilt für den Bürgermeister im besonderen Maß das alte Sprichwort: "Allen Leuten Recht getan ist eine Kunst die niemand kann". Unsere Aufgabe muß aber sein und bleiben, das, was wir zu tun haben, recht zu machen.

Diese 25 Jahre sind ein weiter Weg. Hatten wir 1948 die Not und die Armut zu verwalten, so sind es heute die großen Probleme einer Wohlstandsgesellschaft, die uns allen Sorgen bereiten.

Ich kann mich noch sehr gut an die Vorstellung als Bürgermeisterkandidat am 25. Januar 1948 erinnern. Zu Fuß bin ich von Nürtingen nach Frickenhausen gegangen. Der nächste Zug fuhr erst zwei Stunden später. Im Waldhorn war Treffpunkt der acht oder neun Bewerber. Von den seinerzeitigen Gemeinderäten ist noch einer im jetzigen Gemeinderat, seinerzeit der jüngste, heute der älteste, Herr Ludwig Stupurak. Es war jener, fast legendäre Gemeinderat, dem man nachsagte, er hätte Pech am Hintern; von zwölf Gemeinderäten waren sieben Schumacher. Die Anfangsbilanz, die der Krieg hinterlassen hatte, war mehr als schlecht. Hier konnte nicht lange diskutiert werden. Hier mußte gemeinsam gehandelt und angepackt werden. Die Besichtigung einiger Unterkünfte von heimatvertriebenen Familien in den Ziegeleigaragen und der Baracke war für mich ein bedrückendes Erlebnis, das mich verfolgte.

Bei einer Versammlung am 24. März 1949 führte ich aus: "Die schlimmste unter den persönlichen Nöten, die unser heutiges Leben verdüstern, ist unstreitig die Wohnungsnot. Sie weitet sich zum Staatsfeind Nr. 1 aus, wenn wir nicht daran gehen, ihr selbst zu Leibe zu rücken. Es geht heute nicht mehr darum, daß jeder Bürger ein Dach über dem Kopf hat, sondern darum, daß die Menschenwürde, die Volksgesundheit und die Moral nicht weiter in unzureichenden und unwürdigen Wohnungen zertreten und vernichtet werden." 91 Familien mit zusammen 351 Personen hausten zusammen mit mehr als drei Köpfen in einem Raum oder in Garagen und sonstigen menschenunwürdigen Quartieren. Am 18. Mai 1949 haben wir dann in Handarbeit mit den Erschließungsarbeiten für die Reute begonnen, kurz hinterher haben die zwei ersten Bauherren, Herr Lausecker und Herr Hammerl, mit dem Bau eines Doppelhauses begonnen. Das war der Startschuß.

Dies ist ein kleiner aber sehr wichtiger Teil einer Zwischenbilanz, über die Herr Steigele das wichtigste bereits gesagt hat. Meine Erwartungen und Vorstellungen haben sich zu einem ganz wesentlichen Teil erfüllt.

In der Rückkehr vom letzten Krieg habe ich immer eine Verpflichtung gesehen. Persönlich war für mich mein Beruf Berufung, trotz manchen Schwierigkeiten und Enttäuschung. Es gab in diesen Jahren viele Sonnentage, auch Regentage und Sturm. Ich habe mein Amt immer als Auftrag auf Zeit von den Bürgern und für sie betrachtet.

Lassen Sie mich diese Gelegenheit nützen, all jene, denen gegenüber ich während meiner bisherigen Amtszeit nicht ganz sachgerecht begegnet bin, um Nachsicht zu bitten, seien es Bürger, seien es Gemeinderäte oder Bedienstete der Gemeinde. Danken möchte ich allen, die mir in diesen langen Jahren Weggenossen und Mitarbeiter waren, allen Mitgliedern des Gemeinderats, allen Arbeitern, Angestellten und Beamten unserer Gemeinde, ohne deren Mithilfe und Unterstützung unserer Arbeit der Erfolg versagt geblieben wäre. Danken möchte ich aber auch Herrn Landrat und seinen Mitarbeitern für ihre Unterstützung

Besonders möchte ich mich aber bei Ihnen allen, bei unseren Bürgern und Bürgerinnen bedanken für Ihr Vertrauen, für ihre Geduld und Nachsicht, aber auch für ihre Mitarbeit und Unterstützung. Wenn ich an die vielen betroffenen Grundstücksbesitzer erinnere, deren Grundstücke in Baulandumlegungsverfahren beim Straßen- und Feld-wegbau, beim Bau der Überlandwasserleitungen, wie auch bei den Abwasserleitungen, die über unsere Markung führen, in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist manche Verärgerung verständlich.

Vor einem Jahr hat sich Tischardt uns angeschlossen. Auch hier möchte ich danken, für das große Verständnis auf beiden Seiten und das Bemühen um eine gute Zusammenarbeit. Tischardt ist heute ein gewachsener Teil unserer Gemeinde. Wollen wir die vor uns stehenden Aufgaben meistern, werden wir die unterschiedlichen Interessen in unserer Gemeinde wägen und gegenüber den Gesamtinteressen abwägen müssen. Er wird darauf ankommen, die Kräfte auf das wesentliche zu konzentrieren, Reibungsverluste möglichst zu vermeiden. Die Aufgabe der Verwaltung wird neu zu überdenken sein. Ich halte es hier mit dem Wort unseres ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, der sagte: "Es ist nicht Aufgabe des Staates, den Menschen zu verstaatlichen, sondern den Staat zu vermenschlichen". Dieses Motto, abgewandelt für die Gemeinde, habe ich mir in der Vergangenheit zu eigen gemacht. Es soll auch in Zukunft Richtschnur meines Handelns sein.

Morgen wird die Arbeit weitergehen. Ich danke Ihnen allen nochmals sehr herzlich und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit. Auch künftig wird meine ganze Kraft der Gemeinde Frickenhausen und ihren Bürgerinnen und Bürgern gehören.

Frickenhausen, 2. April 1973