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Reden und Texte

 

Virtuelles Erich Scherer Archiv

 

Bewerbung 1948
Gerechtigkeit gegen alle

Rede von Erich Scherer

 

Meine verehrten Bürger!

Auf Grund der Ausschreibung in der Presse habe ich mich um die Stelle des hiesigen Bürgermeisters beworben. Der jetzige Augenblick soll dazu dienen, mich Ihnen bekannt zu machen und Ihnen die Gründe darzulegen, die mich zu der Bewerbung veranlaßt haben. Ehe ich diese Gründe darlege, will ich einen Abriß meines Lebens und meiner bisherigen Tätigkeit geben.

Wie Sie aus meinem Lebenslauf entnehmen können, bin ich durch meine Tätigkeit in Gemeinde, Landratsamt und Ministerium mit allen Aufgaben der gemeindlichen Selbstverwaltung bekannt geworden, und, was mir besonders wichtig erscheint, ich habe mich nicht nur vom Gesichtskreis des gemeindlichen Interesses, sondern auch von der Seite der staatlichen Aufsicht aus damit zu beschäftigen gehabt.

Diese vielseitige Ausbildung und Tätigkeit wird mich in den Stand setzen, die Interessen der Gemeinde überall mit Nachdruck zu vertreten und dadurch dem Wohle und dem Nutzen der Gemeinde zu dienen. Dies gibt mir aber auch andererseits die Überzeugung, daß ich den von Ihnen gestellten Anforderungen gewachsen bin.

Gerade die heutige Zeit mit ihren vielfältigen rechtlichen, wirtschaftlichen und menschlichen Problemen verlangt einen Menschen als Bürgermeister mit umfassenden Verwaltungskenntnissen, menschlichem Mit- und Verantwortungsgefühl.

Mein Aufwachsen in einer Landgemeinde, als Sohn eines Landwirtsehepaares, hat mich die vielen Sorgen und Nöte der Menschen auf dem Lande und ihre harte Arbeit am eigenen Leibe erfahren lassen. Ich hänge an diesen Menschen und habe es mir zur Aufgabe gemacht, ihnen zu helfen. Ich bin davon überzeugt, daß nur derjenige das nötige Verständnis mit Euch schwer arbeitenden Menschen haben kann, der damit aufgewachsen ist und sie kennt.

Den festen Willen bringe ich mit, alles zu tun, daß in der Gemeindeverwaltung nach Recht und Gerechtigkeit geurteilt und gehandelt wird, daß Sauberkeit in allem herrscht, keiner bevorzugt oder benachteiligt wird. Mein Handeln wird sich nach den alten württembergischen Grundsätzen richten: Sauberkeit nach innen und außen, Gerechtigkeit gegen alle, Sparsamkeit in der Verwaltung.

Ich bringe keine großen Pläne mit, die heute und in absehbarer Zeit doch nicht verwirklicht werden können. Ich habe auch keine Patentlösungen in der Tasche. Ich kann Euch auch nicht Eure Ablieferungs-, Wohnungs- und sonstigen Sorgen ganz abnehmen, und unseren ausgewiesenen Schwestern und Brüdern ihre Heimat wieder zurückgeben. Aber eines kann ich und werde ich tun, Euch aus christlicher Verantwortung heraus helfen, daß diese Sorgen in einem erträglichen Rahmen bleiben und immer kleiner werden.

Auch wenn mich Euer Vertrauen zum Bürgermeister beruft, werdet Ihr Steuern bezahlen müssen und an den Lasten teilhaben, die wir tragen müssen.

Die Wahl des Bürgermeisters ist neben der Gemeinderatswahl immer ein großes Ereignis. Prüfet deshalb mit schwäbischer Ruhe und Gründlichkeit und wählt den Mann, dem Euer Vertrauen gehört.

Ich hoffe, daß ich Euch mit meinen Ausführungen die Möglichkeit gegeben habe, mein Tun und Wollen zu beurteilen. Was ich heute tun konnte, war, mit leeren Worten zu sagen, wer ich bin, was ich kann und tat und was ich will. Ich hoffe, daß mir Euer Vertrauen die Möglichkeit gibt, meine Worte durch Taten zu erhärten.

 

24. Januar 1948