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Virtuelles Erich Scherer Archiv

 

Amtseinführung des neuen Gemeinderates 1984
Willkommen in unserer Mitte

Rede von Erich Scherer

 

Meine Damen und Herren!

Bei der Gemeinderatswahl am 28. Oktober 1984 wurden Sie erneut in den Gemeinderat wiedergewählt bzw. neu in den Gemeinderat gewählt. Das ist ein echter und großer Vertrauensbeweis, den Ihnen unsere wahlberechtigten Bürger entgegengebracht haben.

Alle Gewählten haben die Wahl durch schriftliche Erklärung angenommen. Das Ergebnis der Wahl wurde ordnungsgemäß öffentlich bekanntgemacht. Rechtsmittel im Wahlanfechtungsverfahren wurden nicht erhoben. Das Landratsamt Esslingen hat die Wahlprüfung durchgeführt und die Wahl für rechtsgültig erklärt. Der Wahlprüfungsbescheid nach § 43 KomWO wurde erteilt.

Der bisherige Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 30. November 1984 festgestellt, daß für den Amtsantritt der neu- bzw. wiedergewählten Gemeinderäte Hinderungsgründe nach § 29 GemO nicht vorliegen. – Soweit diese rein sachlichen Feststellungen.

Meine Damen und Herren, ich gratuliere Ihnen nochmals sehr herzlich zu Ihrer Wahl und darf die neugewählten Mitglieder offiziell in unserer Mitte willkommen heißen. Mein ebenso herzlicher Gruß gilt den wiedergewählten Damen und Herren des alten Gemeinderates.

Sie sind durch das Vertrauen der Bürgerschaft unserer Gemeinde als Gemeinderäte berufen worden und übernehmen heute das höchste Ehrenamt, das die Gemeindeverfassung kennt. Diese ehrenvolle Aufgabe erfordert besondere Verantwortung. Sie haben sie pflichtgemäß und uneigennützig zum Wohle und Gedeihen unserer Gemeinde und ihrer Bürger auszuüben. Sie sind an keine Aufträge gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort zitieren, das der Vater der gemeindlichen Selbstverwaltung, Reichsfreiherr vom Stein, zum Amt des Gemeinderats geprägt hat: "Das Gesetz und Ihre Wahl sind Ihre Vollmacht. Ihre Überzeugung und Ihre Ansicht vom Besten der Gemeinde Ihre Instruktion, ihr Gewissen aber die Behörde, der Sie deshalb Rechenschaft zu geben haben. Sie sind im vollsten Sinne Vertreter der ganzen Bürgerschaft mithin, so wenig Vertreter eines einzelnen Bezirks, der Sie gewählt hat, noch einer Kooperation, Zunft usw., zu der Sie zufällig gehören." Dieses Wort ist eine wertvolle Richtschnur für die Amtsführung eines jeden Gemeinderats.

Meine Damen und Herren, das Geschehen in unserer Gemeinde, die Arbeit auf dem Rathaus, die vielfältigen öffentlichen Aufgaben werden getragen vom Zusammenwirken der wichtigsten kommunalen Organe, dem Gemeinderat und dem Bürgermeister. Die Ausgestaltung dieser Zusammenarbeit ist wesentlich für den kommunalpolitischen Erfolg unserer Tätigkeit. Grundlage und Ziel unserer Arbeit muß es sein, das Vertrauen der Bürgerschaft zu erhalten und zu besitzen und vor allem es zu rechtfertigen. Unser beider Anliegen muß es sein, das Verhältnis zwischen Gemeinderäten und Bürgermeister richtig zu gestalten, beides sind Organe der Gemeinde und zur Zusammenarbeit verpflichtet.

Wir haben keine Regierung und keine Opposition. Der Erfolg unserer Arbeit, das haben die vergangenen Jahre gezeigt, wird sehr wesentlich davon abhängen.

Aus der Erfahrung heraus, daß keiner allein gescheit ist und alles weiß, liegen die grundsätzlichen politischen Entscheidungen bei Ihnen. Ich andererseits sehe meine Aufgabe darin, die Sitzungen gründlich vorzubereiten, Anregungen zu geben, die Problematik zu umreißen und Lösungs- und Beschlußvorschläge anzubieten. Die zurückliegenden Jahre haben gezeigt, daß es wünschenswert ist, daß grundlegende Entscheidungen von der großen Mehrheit des Gemeinderats getragen werden. Das soll jedoch nicht heißen, daß stets und in allen Fällen Einstimmigkeit herrschen muß, denn es gehört mit zum Wesen der Gemeindedemokratie, daß sie von Gegensätzen lebt und sich aus Spannungen weiterentwickelt, die der Sache dienlich sind. Im gemeinsam getragenen Beschlüssen liegt letzten Endes die Konsensfähigkeit des Gemeinderats und damit ein Stück echter Demokratie. Wenn Demokratie nur noch ein Zählvorgang ist, sind wir am Ende.

Die Gemeinden sind keine Inseln der Glückseligkeit. Sie sind vielmehr eingebunden in das gesellschaftliche Ganze und bleiben nicht unberührt von den allgemeinen Entwicklungen und Tendenzen unserer Zeit. Unser Spielraum wird immer enger werden. Die Abhängigkeit von zentralen Instanzen wird immer größer werden. Ich will nicht von Gleichschaltung reden, aber ich habe den Eindruck, wenn sich nichts ändert, sind wir auf dem besten Wege dazu. Das führt automatisch zu Gleichmacherei und Einengung des Entscheidungsspielraums. Ich bedauere diese Entwicklung, weil damit auch der Freiheitsraum des einzelnen, wie der Gemeinden, immer weiter eingeengt wird. Wir müssen uns damit abfinden, daß Kommunalfreiheit auch Verschiedenheit zwischen den einzelnen Kommunen bedeutet. Gleichheit ist nur auf einem sehr niedrigen Niveau erreichbar.

Gute Kommunalpolitik ist nicht ein Gegeneinander, sondern das Ergebnis des Zusammenwirkens von Ortschaftsrat, Gemeinderat und Bürgermeister. Eigenes Recht und Aufgaben sind gut, man sollte sie aber nicht überstrapazieren. Wir haben kein Demokratiedefizit, sondern ein Defizit an guter Politik. Sie wird nicht besser, wenn jede Gruppe meint, überall mitreden und mitverwalten zu müssen. Ich bin für eine klare Trennung der Verantwortlichkeiten.

Wir sind eine Gemeinde und nicht drei Ortsteile. Es geht deshalb darum, die Gemeinsamkeit, das gemeinsame Wohl zu fördern. Wenn wir der Meinung sind, diese Gemeinde mit ihren drei Ortsteilen müsse erhalten bleiben, müssen wir, nachdem wir die Infrastruktur in allen Ortsteilen gleichmäßig ausgebaut und angeglichen haben, alles tun, um die Gemeinschaft zu verdeutlichen, erlebbar und fühlbar zu machen, befestigen, fördern und gestalten, daß sie aus dem freien Willen aller Bürger erhalten wird. Wichtig bei allen Bemühungen ist die Erhaltung der Identität der Ortschaften. Ohne gegenseitiges Vertrauen, ohne Offenheit ist jede erfolgversprechende Zusammenarbeit unmöglich. Vertrauen kann nicht durch Mehrheitsentscheidungen ersetzt werden.

Die vor uns liegenden Aufgaben sind weitgehend bekannt. Ich möchte heute auch wegen der Kürze der Zeit nicht weiter darauf eingehen. Wir werden den neuen Mitgliedern der Ortschaftsräte und des Gemeinderats Gelegenheit geben, die zur Zeit laufenden Bauvorhaben kennenzulernen. Ich halte dies für notwendig, damit ein einigermaßen gleicher Wissensstand hergestellt wird.

Zu Beginn unserer gemeinsamen Arbeit darf ich Sie auf einige wenige Bestimmungen der Gemeindeordnung hinweisen, insbesondere auf § 17, der die Pflichten ehrenamtlich tätiger Bürger behandelt und den § 18 über den Ausschluß wegen Befangenheit. Sie erhalten von uns eine Gemeindeordnung ausgehändigt, so daß Sie sich über die weiteren wichtigen Bestimmungen für die Arbeit des Gemeinderats unterrichten können. Ich darf nochmals besonders auf den Abs. 4 hinweisen, der Sie verpflichtet, Ihre Befangenheit vor Beginn der Beratung eines einzelnen Gegenstandes dem Vorsitzenden mitzuteilen. Gleichzeitig aber auch darauf, daß Beschlüsse, an denen ein befangenes Mitglied des Gemeinderats mitwirkt, ungültig sind und dadurch die Gemeinde mit ganz erheblichen Folgen belastet werden kann.

Ich darf Ihnen nun Ihre Ernennungsurkunden aushändigen und Sie entsprechend den gemeindeverfassungsrechtlichen Bestimmungen verpflichten. § 32 Abs. 1 der Gemeindeordnung hat folgenden Wortlaut: "Die Gemeinderäte sind ehrenamtlich tätig. Der Bürgermeister verpflichtet die Gemeinderäte in der ersten Sitzung öffentlich auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Amtspflichten."

Ich komme nun zur Verpflichtung und bitte Sie, sich zu erheben. Die Verpflichtungsformel hat folgenden Wortlaut: "Ich gelobe Treue der Verfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Pflichten. Insbesondere gelobe ich, die Rechte der Gemeinde gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohner nach Kräften zu fördern." Ich bitte Sie, mir nachzusprechen: "Ich gelobe es." Ich danke Ihnen.

Amtseinführung der neu gewählten Gemeinderäte in der Gemeinderatssitzung am 10. Dezember 1984