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Virtuelles Erich Scherer Archiv

 

Bürgerversammlung 1949
Demokratie in der Gemeinde

Rede von Erich Scherer

 

Der Zweck der Einberufung dieser Versammlung soll neben der Wahl eines Diskussionsleiters und des dazu gehörigen Ausschusses insbesondere der sein, der Einwohnerschaft einen kurzen Überblick über die augenblicklichen Aufgaben und die schwebenden Probleme der Gemeindeverwaltung, ihre Sorgen und Nöte zu geben.

Die Schwere der Aufgaben erfordert, wenn eine befriedigende Lösung gefunden werden soll, eine enge Anteilnahme der ganzen Bevölkerung und deren Mithilfe. Es ist ein besonderes Charakteristikum unserer Zeit, daß das Interesse an der Gemeinde und ihren Aufgaben sich fast ausschließlich auf die Frage beschränkt: "Was kann ich von der Gemeinde erhalten?" Sorgen und Nöte hat jeder einzelne von uns und ebenso selbstverständlich wie es für eine Gemeinde ist, helfend einzugreifen, wo immer es geht, ebensowenig darf sich der Sinn und die Arbeit einer Gemeindeverwaltung nur in der Übernahme von Lasten erschöpfen. Wenn es um die Kommunalisierung der Verluste geht, hat niemand, auch der schärfste Gegner von Eingriffen der öffentlichen Hand in die private Wirtschaft Bedenken, sich hilfesuchend an die Gemeinde zu wenden. Ist er jedoch befriedigt, wird er jede - auch die bescheidenste - Einflußnahme der öffentlichen Hand auf die private Sphäre energisch zurückweisen. Dieses auf die gemeindliche Hilfeleistung beschränkte Interesse jedes einzelnen ist zu wenig. Die großen außerordentlichen Aufgaben, die vor uns liegen, können nur gemeistert werden, wenn Gemeinderat und Gemeindeverwaltung dabei mit einem ernsten Interesse der Bevölkerung rechnen können. Dieses Interesse gilt es zu wecken und zu beleben. Es genügt eben nicht, wenn an den Entschlüssen des Gemeinderats, der Ausschüsse und der Gemeindeverwaltung nur herumgenörgelt und geschimpft wird. Wie viel besser würde es sein, wenn diese Beschwerden erst vertrauensvoll mit der Gemeindeverwaltung besprochen würden und mit jeder Beschwerde ein positiver Vorschlag verbunden wäre. Es würde unsere Arbeit wesentlich erleichtern und zur Lösung der Probleme beitragen. Persönliches Interesse und die gemeinsame Anteilnahme aller Bürger könnten manches unlösbar scheinende Problem lösen. Wollen wir mit Ruhe und Vertrauen in die Zukunft blicken, muß es uns gelingen, den bestehenden Zwiespalt zwischen Einwohnerschaft einerseits und Rathaus andererseits zu überwinden.

Das Rathaus ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Von der Gemeindeverwaltung werden die gemeinsamen Interessen der Einwohnerschaft, wie der Name schon sagt, verwaltet. Sie soll Aufgaben, die dem einzelnen an und für sich obliegen, die er aber heute in der modernen wirtschaftlichen Arbeitsteilung nicht mehr erfüllen kann, übernehmen und ihn dadurch von der Erfüllung dieser Pflichten befreien. Der Bau von Wegen und Straßen usw. kann nur von uns allen gemeinsam, nicht aber vom einzelnen gelöst werden. Der Beitrag, den jeder hierzu zu leisten hat, ist gemessen an den allgemeinen Vorteilen und den übrigen Lebenshaltungskosten doch ein sehr geringer. Es wurde bereits betont "es gilt das Interesse und die aktive Teilnahme jedes einzelnen an der Gemeindeverwaltung" zu wahren und zu vertiefen. Demokratie ist eben mehr als nur der gewählte Gemeinderat und Bürgermeister. Wir alle, jeder einzelne ist aufgerufen zur Mitarbeit. Sie werden mit mir übereinstimmen, wenn ich sage, daß wir froh sind, die Zeit der widerspruchslosen Entgegennahme von Befehlen überwunden zu haben. Es liegt nun an uns, zu beweisen, daß wir dazu fähig und in der Lage sind. Demokratische Lebensformen verlangen mehr, als nur auf Befehle zu warten. Demokratie verlangt eine Anschauung, die die Menschen im Licht ihrer persönlichen Verdienste und Leistungen sieht. Wenn wir nur Menschen achten, die einer bestimmten politischen Richtung angehören, die in eine bestimmte Kirche gehen, die zu einer bestimmten Klasse zählen, die den gleichen Dialekt sprechen, sind wir es eben nicht.

Ohne Toleranz, ohne Rücksicht auf die Wünsche und das natürliche gleiche Recht anderer, ohne Verständnis, ohne den wahrhaften Willen, dem Nächsten zu helfen und ihm Gutes zu tun, gibt es keine Demokratie und keinen Frieden. Wir müssen zusammenarbeiten für das gemeinsame Wohl aller, nicht nur für eine bestimmte Gruppe. Wir alle haben teil an der großen Verantwortung für unsere Zukunft.

Leichter ist es natürlich, hinter dem Wirtshaustisch zu schimpfen und die anderen sorgen zu lassen. Es muß für uns mehr eine Ehre als eine Pflicht sein, uns an der Lösung der uns gestellten Aufgaben zu beteiligen. Ich möchte nur einige nennen: Behebung der durch Jahre hindurch nicht möglichen Reparaturen an Wegen, Straßen, Gebäuden, der Wasserversorgung usw., Erschließung neuen Baugeländes, Beschaffung von ausreichendem Wohnraum, Beschaffung von Schulraum, Überwindung der Folgen der Währungsreform. Um diese Schwierigkeiten aufzuzeigen und das nötige Verständnis zu wecken, soll auf die Auswirkung der Währungsreform bei der Gemeinde besonders eingegangen werden, weil davon die Lösung der anderen Aufgaben wesentlich beeinflußt wird.

Es gab wenig Ereignisse, die in solch radikaler Weise in die Belange und die Existenz jedes einzelnen von uns eingegriffen haben, wie gerade die Währungsreform. Dadurch wurden auch die finanziellen Grundlagen der Gemeinde sehr tief erschüttert. Die Währungsreform war ein harter Schnitt, aber doch der letzte Strich unter eine Entwicklung, die einfach nicht so weitergehen konnte.

Nicht mehr die ehrliche anständige Arbeit bekam ihren Lohn, der Schieber und Schwarzhändler war Herr der Lage. Der noch vor vielen Augen schwebende Geldschleier wurde plötzlich weggerissen und dadurch unsere Armut offen zur Schau gestellt. Die Schockwirkung, die dieses Ereignis mit sich brachte, zeigte, daß viele von uns sich nicht über die Notwendigkeit dieser Lösung und das Maß der Verschuldung im klaren waren; durch die Kriegsfinanzierung und die durch den Zusammenbruch hervorgerufene neue Verschuldung der Länder infolge der Belastung durch Besatzungskosten, Demontage, erhöhte Fürsorgekosten, Auswirkung der Zwangsbewirtschaftung. Diese Bereinigung war notwendig, um dem ehrlich Arbeitenden den verdienten Lohn und die Möglichkeit zu geben, die zum Lebensunterhalt nötigen Sozialprodukte ohne Bezugsschein zu beschaffen. Über die Art und Weise der Durchführung ließe sich manches sagen, wir müssen dabei jedoch berücksichtigen, daß die Währungsreform ein einseitiger Akt der Militärregierungen war und dadurch auf bestimmte Wünsche der deutschen Stellen nur wenig eingegangen wurde.

Über das Maß des einzelnen hinaus sind die Gemeinden durch die Währungsreform sehr ernst betroffen worden. Das am 26. Juni 1948 als Gesetz Nr. 63 der amerikanischen Militärregierung verkündete dritte Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens - das sogenannte Umstellungsgesetz - bestimmt in § 9 in Verbindung mit § 1, daß die Altgeldguthaben der Gebietskörperschaften, also des Staates, der Kreise und der Gemeinden, d.h. alle ihre Reichsmarkguthaben einschließlich der Barbestände von der Umwandlung in Neugeld-Guthaben ausgeschlossen sind und damit vollständig erlöschen. Damit verliert die Vermögens- und Haushaltswirtschaft der Gemeinde ihren gesamten baren Kassenbestand, laufende Guthaben und Festgeldanlagen. Sie verliert insbesondere auch ihre in vielen Jahren angesammelten Rücklagen, die eine so wesentliche Voraussetzung für die innere Gesundheit des gemeindlichen Haushalts und seine Ausgeglichenheit ist. Um den Gemeinden die Möglichkeit zu geben, ihren laufenden Verpflichtungen nachzukommen, erhielt die Gemeinde eine einmalige Überbrückungshilfe in Höhe von 1/6 der Einnahmen in der Zeit von 1. Oktober 1947 bis 31. März 1948. Von diesem errechneten Betrag in Höhe von rund 12.000 DM erhielt die Gemiende 80% unter gleichzeitiger Einbehaltung von 1.300 DM Kreisverbandsumlage. Die restlichen 20% sollen im Laufe dieses Monats noch eingehen.

Unter dem Drang zu äußerster Sparsamkeit und unter Anwendung wirtschaftlichster Verwaltungsweise in der Vermögensverwaltung der Gemeinde gilt es jetzt, die Haushaltswirtschaft auf die durch die Neuordnung des Geldwesens geschaffene neue Lage umzustellen. Das Ziel muß sein, auch unter den veränderten Verhältnissen die Ordnung in der gemeindlichen Finanzwirtschaft aufrecht zu erhalten, die Zahlungsbereitschaft der Gemeindekasse zu sichern und das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herzustellen. § 28 des dritten Währungsgesetzes verbietet ausdrücklich die Beschaffung von Mitteln auf dem Kreditwege. Diese Vorschrift gilt für alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung. Sie rechtfertigt sich allein dadurch, daß die Besatzungsmächte nicht nur die Verantwortung für die Geldneuordnung sondern auch für die Stabilisierung des neuen Geldes übernommen haben. Diese Vorschrift ist von sehr wesentlicher Bedeutung für die Haushaltsführung der Gemeinde, vor allen Dingen auch dadurch, daß bei den meisten Ausgaben es sich um feststehende Ausgaben handelt, an denen von der Gemeinde aus nichts zu ändern ist, insbesondere Kreisverbandsumlage, Schullastenbeiträge, Fürsorgeaufwände usw. Auf der anderen Seite sind die Rücklagenbestände und sonstigen Geldbeträge verloren, die Überweisung durch den Staat gekürzt worden und mit manchen Einnahmen kann unter den veränderten Verhältnisse in der bisherigen Höhe nicht mehr gerechnet werden. Die Gemeinde ist also ausschließlich auf ihre Gemeindesteuern, Holz- und Pachtgelder und den Wasserzins angewiesen. Es soll daher an dieser Stelle noch einmal der dringende Appell an die Einwohnerschaft gerichtet werden, der schwierigen Lage, in der sich die Gemeindeverwaltung befindet dadurch Rechnung zu tragen, daß sie ihre Steuer- und sonstigen Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachkommt und die Steuerbeträge, Pachtzinsen zu den Fälligkeitsterminen bezahlt. Es wird für jeden einzelnen leichter sein, monatlich 1/12 der Gesamtsteuerschuld bei der Grundsteuer, oder 1/4 bei der Gewerbesteuer zu bezahlen, als den gesamten Betrag auf einmal. Abgesehen davon, daß unter den außerordentlichen Umständen auf den Ansatz des Versäumniszuschlages nicht verzichtet werden kann.

Um jedem einzelnen zu ermöglichen, sich ein Bild über die in den vor uns liegenden 3/4 Jahren noch anfallenden Ausgaben zu machen, zu deren Leistungen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, sollen folgende Angaben dienen:

 

Einnahmen
1. Grund- und Gebäudesteuer 2.000 DM
2. Gewerbesteuer 2.200 DM
3. Pacht- und Teilgeld 0.180 DM
4. Stamm- u. Brennholz 1.000 DM
5. Miete 0.140 DM
Gesamt 5.520 DM

 

Ausgaben
1. Schullastenbeitrag 0.500 DM
2. Landwirtsch. Unfallversich. 0.210 DM
3. Pensionskasse 0.375 DM
4. Kreisverbandsumlage 1.300 DM
5. Gehälter 2.370 DM
6. Krankenkassenbeiträge 0.260 DM
7. Löhne und Fuhrwerke 0.300 DM
8. Gewerbeschuldverband 0.130 DM
Gesamt 5.445 DM

 

Neben diesen Ausgaben, an denen nicht viel zu ändern ist, fallen noch Ausgaben an für die laufende Unterhaltung der Straßen, Wege, Schule, Gemeindegebäude, Wasserversorgung, usw. Diese laufenden Aufgaben werden überschattet durch Probleme, deren Lösung schon längst fällig war oder doch fällig ist, und nicht oder doch nicht ohne große Nachteile hinausgeschoben werden können. Ich nehme nur die wichtigsten. 1. Der Bau der Schafhauses, zu dem die Gemeinde moralisch verpflichtet ist, nachdem der Weidepächter das Holz bereits zur Verfügung gestellt hat; 2. Bau eines neuen Wasserreservoirs. Das augenblickliche genügt nicht mehr den Anforderungen und ist so defekt, daß eine erfolgversprechende Reparatur kaum mehr möglich ist; 3. Der Bau von Wohnungen, sei es durch Ausbau oder Neubau.

Daß diese Aufgaben dringend sind und keinen Aufschub dulden, dürfte wohl allgemein anerkannt werden. Der Wohnungsbau muß vorläufig dem einzelnen Wohnungssuchenden überlassen bleiben. Er muß sich in erster Linie selber helfen. Aufgabe der Gemeinde wird es sein, die Voraussetzungen hierfür durch Zurverfügungstellung von geeignetem billigen Baugelände, Gewährung von Steuernachlässen u.a. zu schaffen. Daß diese Aufgaben von der Gemeindeverwaltung ernst genommen werden und alles getan wird zu helfen, dürfte die Einleitung der Holzaktion bei Messkirch und deren Abwicklung zeigen. Auch in Zukunft werden bei vorhandenem Interesse alle gegebenen Möglichkeiten ausgenutzt werden.

Wenn nun auf die Wohnungsprobleme näher eingegangen wird, so sind dafür verschiedene Gründe maßgebend. Es sind dies die immer anwachsende Zahl der Wohnungssuchenden erstens, zweitens die sich mehrende Zahl der Beschwerden und drittens die teilweise großen Schwierigkeiten, die bei der Einweisung neuer Mieter entstehen. Die Lösung aber gerade dieses Problems wird für uns alle zu einer Schicksalsfrage werden. Wollen wir nicht einer durch die Jahre 1931-1933 hervorgerufenen Entwicklung zusteuern.

Der durch die unzulängliche Unterbringung hervorgerufene gesundheitlichen, moralischen und seelischen Verwahrlosung muß entgegengetreten werden. Die Schwierigkeiten sind jedoch so groß geworden, daß dieses Problem nicht wie viele glauben, durch bessere Erfassung von Wohnraum gelöst werden kann. Nur wenigen einzelnen kann dadurch geholfen werden. Wir müssen alle gemeinsam nach Mitteln und Wegen suchen, dieses Problem durch den Neubau von Wohnungen zu lösen. In erster Linie werden sich die Wohnungssuchenden selbst daran beteiligen müssen, nachdem der Gemeinde und dem Staat die Mittel dazu vorläufig fehlen oder nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Eine Erleichterung kann nur eintreten, wenn der Staat von sich aus die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen kann. Ich bin davon überzeugt, daß es vernünftig ist, für diesen Zweck die notwendigen Mittel auszuwerfen, als sie andernfalls für die Unterbringung von Tbc-Kranken in Krankenhäusern und Sanatorien auszugeben. Aber, wie gesagt, vorläufig hat die Militärregierung der öffentlichen Hand die Aufnahme von Krediten auch für diese Zwecke versagt. Eine Tabelle über die Belegungsdichte der hiesigen und anderer Kreisgemeinden soll dazu dienen, jedem einzelnen klar zu machen, daß unsere Gemeinde überdurchschnittlich belegt ist.

Ich habe bei einem Besuch des Innenministeriums in Stuttgart auf diese Tatsache hingewiesen. Es wurde auch in Aussicht gestellt, durch eine generelle Lösung die gleichmäßige Verteilung zu ermöglichen. Das Interesse an durch die Gemeinde geschaffenen Umsiedlungsmöglichkeiten in Gemeinden mit geringerer Belegungsdichte, hat jedoch bewiesen, daß die Neigung nicht groß ist, von hier wegzukommen. Wenn ich sage, daß die Bevölkerungsdichte pro qm nach Aufnahme der Flüchtlinge in Württemberg 230 Personen gegenüber 130 in Bayern beträgt, so zeigt das deutlich die unverantwortliche Politik des Staatskommissars für das Flüchtlingswesen. Trotz dieser Tatsache erhalten immer weitere Personen die Zuzuggenehmigung nach Württemberg.

Bei der Beachtung des Wohnungsproblems muß noch berücksichtigt werden, daß der Wohnraumbedarf nicht etwa, wie manche glauben, im Laufe der Zeit geringer wird, nein im Gegenteil! Durch jede Eheschließung, durch jede Geburt, durch jeden aus der Kriegsgefangenschaft Heimkehrenden wird der Wohnraumbedarf größer. Augenblicklich sind in die auf Grund des Wohnungsgesetzes geführte Wohnungssuchendenliste 40 Wohnungssuchende mit insgesamt 144 Angehörigen eingetragen. Von diesen Personen wird ein zusätzlicher Wohnraum von ca. 1.420 qm beansprucht. Einer Einwohnerzahl von 2.447 Personen stehen 507 Wohnungen mit insgesamt 14.761 Räumen zur Verfügung. Im Durchschnitt kommen auf einen Wohnraum 1.51 Personen und auf eine Person 6,5 qm. Als besonders vordringlich sind bei den angeführten Wohnungssuchenden neun Fälle mit insgesamt 38 Personen zu bezeichnen. Von denen wieder vier Fälle mit 16 Personen ganz ungenügend und unwürdig untergebracht sind und mit der Zuteilung von Wohnraum an erster Stelle stehen. Für die Unterbringung dieser Familien werden zwei Dreizimmerwohnungen und drei Zweizimmerwohnungen erforderlich. Seit dem 1. April 1948 wurden 24 Fälle erledigt, wobei 16 Neubürgerfamilien Wohnung zugewiesen bzw. deren Wohnverhältnisse wesentlich besser wurden. Einzelzuweisungen wie z.B. an heimkehrende Kriegsgefangene usw. sind in diesen Zahlen nicht enthalten. Dieser kurze Überblick dürfte genügen, um zu beweisen, daß die zum größten Teil berechtigten Wünsche nicht oder doch nur im Laufe von Wochen und Monaten erfüllt werden können. An alle Wohnungssuchenden und Beschwerdeführer möchte ich die Bitte richten, diesen realen Tatsachen, an denen, solange nicht durch Neu- oder Ausbau weiterer Wohnraum geschaffen wird, nicht vorbeigegangen werden kann, ins Auge zu sehen.

Nachdem ein großer Teil der bisher bewirtschafteten Waren und Verbrauchsgüter aus der Zwangsbewirtschaftung herausgenommen wurden, halte ich es nicht mehr für notwendig, über die Bewirtschaftung und Verteilung noch etwas zu sagen. Nur soviel soll gesagt werden, daß die Verteilung nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen wurde und ich es für meine Pflicht halte, den an den Verteilungsausschüssen Beteiligten meinen besonderen Dank auszusprechen. Daß dabei Ungleichheiten vorgekommen sind, liegt in der Unzulänglichkeit der Zuteilungen und in der Abhängigkeit von den Angaben auf den Anträgen begründet. Durch die Freigabe ist eine nicht kleine Last von unseren Herzen genommen worden. Jenen, die heute noch in besonderen Nöten sind, darf ich bekannt geben, daß auch nach Einführung der 20 Textilpunkte der Gemeinde für diese besonderen Fälle ein Textilpunktkontingent zur Verfügung steht. Entsprechende Anträge können eingereicht werden. Auch über das Ernährungsproblem und die für die Gemeinde damit zusammenhängenden Fragen glaube ich, keine weiteren Worte verlieren zu dürfen, nachdem sich als Folge der Währungsreform wesentliche Erleichterungen gezeigt haben.

Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß es durch diesen Überblick jedem Anwesenden möglich ist, sich ein Bild der Aufgabe, aber auch der Schwierigkeiten zu machen, denen sich der Gemeinderat und die Gemeindeverwaltung gegenübersehen. Wünschen möchte ich, daß dadurch ein weiterer Schritt zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit aller Einwohner getan ist und sich das Interesse nicht allein in der Kritik erschöpft, sondern durch positive Vorshcläge zum Wohle aller beiträgt.

Ehe wir nun zur Wahl des Vorsitzenden des Bürgerausschusses und der Ausschußmitglieder selbst schreiten, habe ich auftragsgemäß noch einen Erlaß des Herrn Kreisgouverneurs und des Herrn Landrats bekannt zu geben.

 

Bürgerversammlung in Frickenhausen, 1949