Virtuelles Erich Scherer Archiv
Weinfest in Frickenhausen 1976
"Wein ist von Gott"
Rede von Erich Scherer
Liebe Frickenhäuser, vom Main und von der Steinach!
Meine sehr verehrten Gäste!
Mir fällt heute bei unserem ersten Frickenhäuser Weinfest die
Aufgabe zu, Sie alle im Namen unseres Gemeinderates und der
Gemeindeverwaltung sehr herzlich zu begrüßen. Bei diesem vollen Hause
ist das eine große Freude. Wir freuen uns ganz besonders als unsere
Gäste die Damen und Herren aus Frickenhausen am Main begrüßen zu
können, an ihrer Spitze die Fränkische Weinkönigin Carmen von
1975/76, den Ersten Bürgermeister Herrn Grieb mit Gattin und den
Zweiten Bürgermeister Herrn Ulsamer. Wir hoffen, daß sie sich bei uns
Schwaben wohlfühlen mögen und einige schöne Stunden mit uns
verbringen können.
Die freundschaftliche Verbundenheit geht auf unseren ersten
Gemeindeausflug nach Frickenhausen am 25./26. August 1957 zurück. Alle
erinnern sich noch sehr gerne an die schönen Stunden. Seither hat es
immer wieder Begegnungen und gegenseitige Besuche gegeben.
So ist Frickenhausen am Main auch zur Geburtsstätte dieses ersten
Frickenhäuser Weinfestes geworden. Nach etlichen Gläsern köstlichen
Frickenhäuser Weines war sich die Runde einig, in diesem Herbst ein
Weinfest mit Weinen unserer Namensschwester zu veranstalten. Lange war
es ruhig. Und ich war deshalb freudig überrascht, als die seinerzeitige
Tischrunde, die Herren Bauer, Daz, Schlaf und Weiss mir erklärten, sie
wollten mit den Vorbereitungen des Weinfestes beginnen. Besonders
erfreulich ist dabei, daß alle, die heute und morgen mitwirken,
Mitglieder des Gemeinderates und der Gemeindeverwaltung und ihrer
Angehörigen sind. Wir haben damit unser Dienstleistungsangebot
sichtlich erweitert - nicht nur Wasser vom Bodensee können Sie von uns
bekommen - nein, auch Wein vom Main!
Es geht uns dabei aber nicht um höhere Einnahmen, wenn auch der
Überschuß dazu dienen soll, die Mitbürger, die krank und allein sind,
zu unterstützen, vielmehr darum, fern von den täglichen Sorgen einige
schöne und gemütliche Stunden gemeinsam zu erleben und an unserer
Freude jene teilhaben zu lassen, die nicht hier sein können.
Und dazu sollen uns vor allem die Frickenhäuser Weine helfen. Bei
der Auswahl der Getränke haben wir uns vom dem Apostel Paulus leiten
lassen, der Timotheus empfahl: "Trinke nicht mehr Wasser, sondern
brauche ein wenig Wein um deines Magens willen!" Bei uns darf
es heute etwas mehr sein. Ich meine vom Wein. Sicher gibt es neben
Wasser auch noch Kirschwasser und auch Brotwasser.
Als ein Arzt einer kranken Regentin unseres Landes als Diät Wasser
und Brot verordnete, meinte diese: Das Wasser sollte nur in der
veredelten Form eines Stettener Rieslings genommen werden, den sie
fortan bis heute mit dem Ausdruck 'Brotwasser' verharmlosen.
"Wasser ist für die Ochsen, Wein für die Könige", sagt
ein spanisches Sprichwort und hat, wie ich meine, recht, weil es meint,
Wein sei ein köstliches, königliches Getränk. Und es bedarf bestimmt
eines freundlichen Umgangs mit ihm, bevor es alle seine Eigenschaften
dem Zecher offenbart: Duft - Farbe - Aroma - Glanz - Fülle. Der Wein
kann Freude schenken, Sorgen in nichts auflösen, Schmerzen lindern,
Glück empfinden.
Martin Luther, der oft heftig gegen die Trunksucht der Deutschen
wetterte, zog vor dem Wein den Hut. "Bier ist Menschenwerk, Wein
ist von Gott", meinte er. In der Bibel ist Noah der Vater des
Weins. Nach der Sintflut wurde er Ackermann und pflanzte Weinberge.
Moses erließ bereits Weingesetze. Wir lesen im Neuen Testament von der
Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit von Kanaan, und vom Brot
und Wein beim Abendmahl. Hier ist Wein zum Sinnbild göttlicher Gnade
geworden.
Wie arm wäre die Dichtung, die Musik, unsere gesamte Kunst, wenn man
daraus alles verbannte, was den Wein preist. Und wie arm wäre vor allem
unser Leben! Auf wieviele fröhliche Stunden müßten wir verzichten,
wenn es keinen Wein gäbe. Er befeuert den Jüngling, weckt goldene
Erinnerungen und versöhnt zuletzt mit dem Ausklang des Alters. Und
braucht der Weise nicht den Wein, um nicht über die Welt weinen zu
müssen?
Und heute wollen wir Ihnen einen besonderen Tropfen kredenzen. In
einem Buch ist zu lesen: "Hier in Franken, an den Ufern des
lieblichen und weinseligen, anmutigen und heiteren Mains wächst ein
erdiger, kräftiger, männlicher Wein, ein markiger Tropfen von herber
Süße. Eschendorf, Iphofen, Frickenhausen und Würzburg seien als
Beispiele berühmter Weinorte genannt."
1806 schrieb Goethe an Christiane: "Schicke mir noch einige
Flaschen vom Main, denn kein anderer Wein will mir schmecken, und ich
bin verdrießlich, wenn mir mein gewohnter Lieblingstrank abgeht."
Und auch Kurt Tucholsky hat in seinem Buch "Das Wirtshaus im
Spessart" dem Frankenwein ein köstliches Denkmal gesetzt, wenn er
schreibt: "Wir hätten sollen nicht soviel Steinwein trinken. Aber
das ist schwer: So etwas von Reinheit, klarer Kraft, von aufgesammelter
Sonne und sonnengetränkter Erde war noch nicht da. Als wir das erste
Glas getrunken hatten, wurden wir ganz still. Man wurde ganz gerührt;
schade, daß man einen Wein nicht streicheln kann."
Meine lieben Frickenhäuser, lassen wir uns heute abend die Weine aus
Frickenhausen am Main munden und uns beglücken.
"Trunken müssen wir alle sein
Jugend ist Trunkenheit ohne Wein;
Trinkt sich das Alter wieder zur Jugend,
so ist es wundervolle Tugend.
Für Sorgen sorgt das liebe Leben,
und Sorgenbrecher sind die Reben."
(Goethe)
Wohl bekomm's!
Erstes Frickenhäuser Weinfest am 16. Oktober 1976
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