Virtuelles Erich Scherer Archiv
Weihnachten 1981
Hoffnung gegen die Angst
Rede von Erich Scherer
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger!
Es sind nur noch wenige Tage, die uns von Weihnachten trennen, nur
noch zwei Wochen bis zu Sylvester, zum Beginn des neuen Jahres. Überall
sind Hände und Herzen dabei, Vorbereitungen zu treffen für das große
Fest des Friedens und der Familie. Doch viele Menschen in Ost und West
sind ausgeschlossen von der großen Freude und Erwartung dieser Tage.
Wenn wir das zu Ende gehende Jahr zurückverfolgen, werden unsere
Meinungen sehr weit auseinandergehen, sei es im persönlichen Bereich,
sei es die gesellschaftliche oder politische Entwicklung. Gerade die
letzten Tage haben sehr deutlich die Zerbrechlichkeit aller Hoffnungen
und Erwartungen in Polen gezeigt. Wesentlich bei aller Ungewißheit ist
jedoch die Erhaltung des Friedens. Überall macht sich Angst breit, die
fast zur Lähmung vernünftigen Denkens und Handelns führt.
Es ist eine Illusion zu glauben, daß guter Wille und einseitige
Abrüstung allein ausreichten, um die Bedrohung des Friedens zum
Verschwinden zu bringen. Neben dem guten Willen zum Frieden, nicht nur
in der großen Politik, auch im Verhältnis jedes Einzelnen zu seinem
Nächsten, gehören auch der Wille und die Bereitschaft zur Verteidigung
der Menschenrechte und der Freiheit. Der Erfolg aller Bemühungen und
aller Verhandlungen ist abhängig vom gegenseitigen Vertrauen, der
Bereitschaft zum Ausgleich der Interessen und ihrer glaubwürdigen
Sicherung. Der Appell an das Gefühl und die Angst werden uns auch nicht
nur einen Schritt weiterbringen. Der größte Feind der Angst ist die
Hoffnung und die Liebe! Denken wir immer daran!
Mangel an Vertrauen bestimmt auch unsere wirtschaftliche Entwicklung.
Vertrauen wieder herzustellen, wird aber nur dann möglich sein, wenn in
offenen Gesprächen die gegenseitigen Standpunkte anerkannt werden und
daraus die Bereitschaft wächst, um der Zukunft willen auch auf
Ansprüche zu verzichten. Wir haben viele Jahre lang maßlos in den
Ausgaben für materiellen und sozialen Komfort gelebt ohne Rücksicht
auf kommende Entwicklungen und die Bedürfnisse der nachwachsenden
Generation. Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt!
Wir haben in unserer Gemeinde die ganzen Jahre eine vernünftige und
überschaubare Finanzpolitik betrieben – so, wie man das früher ganz
einfach gesagt hat –, wir haben gespart, ohne die Bedürfnisse unserer
Bürger und unserer Gemeinde zu vernachlässigen. In dieser Hinsicht
werden uns keine großen Sorgen plagen. Wenn wir uns von Vernunft und
dem Interesse unserer Bürger leiten lassen und wenn unsere Arbeit
weiterhin von Ihrem Vertrauen getragen ist, wird uns auch die richtige
Entscheidung und der Erfolg geschenkt werden.
Vor einigen Tagen habe ich folgende Sätze von dem Dichter K.H.
Waggerl gelesen: "Leben wir nicht in einer Weltzeit des Advent?
Scheint uns nicht alles von Finsternis bedroht zu werden? Es ist kein
Trost und keine Hilfe bei der Weisheit der Weisen und der Macht der
Mächtigen Und darum sind es allein die Kräfte des Herzens, die uns
vielleicht noch retten können."
Die kommenden Feiertage geben uns Gelegenheit über das zu Ende
gehende Jahr, über die Zeit, aber auch über uns nachzudenken. Nehmen
wir uns aber auch Zeit, bei unseren Nachbarn "Grüß Gott" zu
sagen. Nie ist Einsamkeit so groß wie an Weihnachten. Für das
Vertrauen und die Unterstützung, die unsere Arbeit in diesem Jahr
begleitet haben, sagen wir Ihnen allen herzlichen Dank; Dank aber auch
allen unseren Mitarbeitern. Wir hoffen und wünschen, daß das kommende
Jahr uns größere Sorgen erspart und wir im Frieden unserer Arbeit und
unseren Aufgaben nachgehen können.
Ihnen allen wünschen wir gesegnete Weihnachtsfeiertage, gute
Gesundheit, allen Kranken gute Besserung und viele schöne und frohe
Stunden im kommenden Jahr.
Gemeindemitteilungsblatt Weihnachten 1981
Zurück zum Seitenanfang
|