|
Virtuelles Erich Scherer Archiv
Gemeindereform 1974
Wille zur Partnerschaft
Rede von Erich Scherer
Herr Kollege Maisch, Meine Damen und Herren!
Die Unterschrift unter die nach langen Verhandlungen gemeinsam
erarbeitete und letzten Montag von den Gemeinderäten unserer beiden
Gemeinden einstimmig beschlossenen Vereinbarung setzt den Schlußpunkt
unter eine nun bald sechs Jahre dauernde Entwicklung und Diskussion um
die Kreis- und Gemeindereform – aber auch einen Anfangspunkt. So
hoffen - und wünschen - wir alle auf eine gute und gemeinsame Zukunft
unserer Gemeinden.
Wenn man dieses Ergebnis unserer Verhandlungen ansieht, scheint es,
als wäre der heutige Tag für alle Beteiligten ein Tag der Freude. Das
ist er leider nicht. Es ist ein Tag der Einsicht in ein Schicksal, das
wir nicht aufhalten und auch nicht mehr ändern können. Alle
Bemühungen die Gemeinde Linsenhofen als Teilverwaltungsraum, und
Frickenhausen selbständig zu erhalten, sind fehlgeschlagen. Nachdem der
Gemeindereformsonderausschuß das Regierungskonzept bestätigte, und auf
Grund der großen Mehrheit im Ausschuß, mit einer Änderung nicht mehr
zu rechnen war, blieb für beide Gemeinden die Frage: "Warten wir
auf die am 1. Januar 1975 in Kraft tretende gesetzliche Verpflichtung
zum Zusammenschluß, oder versuchen wir durch Verhandlungen eine Lösung
zu finden, die jedem Partner soviel Freiheit wie möglich
einräumt." Im Augenblick verlieren beide Gemeinden an eigener
Entscheidungsfreiheit und an eigener Gestaltungsmöglichkeit, da beide
sich künftig am Ganzen orientieren müssen.
Der Gemeinderat der Gemeinde Frickenhausen hat sich bei seinen
Überlegungen von dem Willen zu einer partnerschaftlichen,
gutnachbarschaftlichen Zusammenarbeit leiten lassen. Mit dem großen
Entgegenkommen einer paritätischen Zusammensetzung des Gemeinderats,
Frickenhausen wird künftig genau so viele Gemeinderäte – elf –,
wie Linsenhofen – sieben – und Tischardt – vier – haben, obwohl
Frickenhausen 2.000 Einwohner mehr hat, wollen wir zeigen, daß es uns
mit dem Ausgleich ernst ist. Auch die Regelung der Zuständigkeiten des
Ortschaftsrates und des Ortsvorstehers beweisen unser Bekenntnis zu
möglichst viel eigener Entscheidungsfreiheit. Wir haben, seit von einer
Gemeindereform die Rede ist, immer wieder betont, daß wir die
Entscheidung der Bürger der Gemeinde Linsenhofen anerkennen. Das
bedeutet auch, daß wir die unterschiedlichen Meinungen jedes Einzelnen
über den künftigen Weg seiner Gemeinde voll respektieren. Wir haben
deshalb auch eine große Achtung vor dem in den Verhandlungen der
letzten Wochen sichtbar gewordenen Willen aller zu einer
vertrauensvollen Zusammenarbeit und dem Suchen nach einer für unsere
Bürger – trotz der Zwangssituation – bestmöglichen Lösung.
Trotz der für Sie noch schwereren Entscheidung glaube ich, daß wir
richtig gehandelt haben im Blick auf die künftige Entwicklung, die
sicher mehr Zusammenarbeit und mehr überörtliche Lösungen bringen und
von uns verlangen wird. Sicher steht heute der Verlust eines
wesentlichen Teiles der Selbständigkeit unserer Gemeinden im
Vordergrund. Dafür muß jeder Verständnis haben. Das Negative sollte
unsere Augen vor dem auch vorhandenen Positiven nicht verschließen.
Sicher ist, daß manche Fragen leichter geregelt werden können, daß
wir in der Verwaltungsgemeinschaft mit 8.000 Einwohnern ein wesentlich
stärkeres Gewicht haben werden, als jede einzelne Gemeinde.
Was jahrhundertelang gewachsen ist und sich entwickelt hat, müssen
und werden wir auch weiterhin pflegen und erhalten; und es wird hier das
Dichterwort Geltung haben: "Was Du ererbt von Deinen Vätern,
erwirb es, um es zu besitzen!" Wenn wir unseren Auftrag darin
sehen, unsere Gemeinden zu einem neuen Ganzen zusammenzuführen, werden
wir auch bereit sein, Vorurteile abzubauen und durch Vertrauen zu
ersetzen.
Viele Gemeinsamkeiten haben sich unabhängig von unserer Entscheidung
in den letzten Jahren entwickelt. Ich denke dabei an die gemeinsame
Hauptschule, an die Zusammenarbeit der beiden Gesangsvereine, an die
Leichtathletik Sportgemeinschaft, das DRK, den HHC, den ADAC und die
Katholische Kirchengemeinde.
Erst als für uns alle klar wurde, daß keine der beiden Gemeinden
nach dem Willen des Gesetzgebers selbständig bleiben kann, haben wir
als Ergebnis unserer sehr intensiven Verhandlungen diese Vereinbarung
abgeschlossen. Ich darf hier die Präambel zitieren: "Getragen von
dem Willen, die künftig gute Entwicklung zu sichern, eigene
Gestaltungsmöglichkeiten offen zu halten, eine bürgernahe Verwaltung
zu erhalten und eine tragfähige Grundlage für eine vertrauensvolle und
partnerschaftliche Zusammenarbeit zu schaffen, (...) schließen wir
diese Vereinbarung."
Ich unterzeichne diese Vereinbarung in dem Wissen um ihre Bedeutung
für unsere Gemeinden und ihre Bürger, in der Erkenntnis, daß uns ein
besserer Weg, möglichst viel Selbständigkeit zu erhalten verwehrt ist,
und in dem Bemühen zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu kommen.
Wenn wir immer nach ihrem Geist handeln, werden wir gemeinsam den
richtigen Weg finden.
Unterzeichnung des Vertrages zwischen Linsenhofen und
Frickenhausen, 20. Juni 1974
Zurück zum Seitenanfang
|