Virtuelles Erich Scherer Archiv
Einweihung der Firma Linder 1964
Schaffung weiterer Arbeitsplätze
Rede von Erich Scherer
Verehrte Frau Honstetter, Meine Damen und Herren!
Ein festlicher Anlaß hat uns heute hier zusammengeführt, um mit der
Betriebsleitung und den Betriebsangehörigen der Firma Linder die
offizielle Inbetriebnahme Ihres Zweigwerkes in unserer Gemeinde
mitzufeiern. Die Arbeit – eine schwierige und zeitraubende – ist
getan. Das fertige Bauwerk lobt seinen Meister.
Es war ein weiter und oft steiniger Weg von den ersten offiziellen
Kontakten zwischen der Firma Linder und der Gemeinde Frickenhausen im
Januar 1962, über die Beschaffung des Baugeländes, die Planung, das
Baugenehmigungsverfahren, das Richtfest im Dezember letzten Jahres bis
zum heutigen festlichen Tag. Die Räder stehen still. Für uns alle
Gelegenheit, zurückschauend unser Tun zu überprüfen, Ziele und
Ergebnis zu überdenken.
Es ist ein gutes Zeichen unserer Gegenwart, daß Wirtschaft und
Verwaltung sich nicht mehr wie in früheren Zeiten unbeteiligt, ja oft
feindselig gegenüber stehen, sondern in vieler Hinsicht zu gemeinsamer
Bemühung und Leistung aufgerufen sind in der klaren Erkenntnis, daß
die heutigen Probleme einer modernen Wirtschaft diese Zusammenarbeit
bedingen, ja zwingend notwendig machen. Wir alle sind heute mehr
aufeinander angewiesen als je einmal.
Es ist für mich eine Freude feststellen zu können, daß die
Zusammenarbeit zwischen der Geschäftsleitung der Firma Linder und der
Gemeindeverwaltung immer eine gute war und daß dadurch auch die Lösung
oft schwieriger Fragen in gegenseitigem Vertrauen recht leicht war.
Recht schwierig haben sich die Grundstücksverhandlungen gestaltet
und auch recht langwierig. Daß sie zu einem guten Ende kamen, ist der
Einsicht aller Beteiligten zu verdanken. Ich möchte diese Gelegenheit
benützen, Ihnen herzlich zu danken.
Die Besichtigung des Betriebsgebäudes hat uns allen gezeigt, daß
auch ein moderner Industriebau architektonisch gut gestaltet werden
kann, daß bei der Planung nicht nur von organisatorischen
Gesichtspunkten ausgegangen wurde, sondern auch der arbeitende Mensch im
Mittelpunkt aller Bemühungen um Form, Gestaltung und Betriebsablauf
gestanden hat. Auch läßt dieser erste Bauteil erkennen, wie die
künftige bauliche Entwicklung der Firma Linder hier in Frickenhausen
weitergehen soll. Der Ortseingang hat dadurch einen neuen Akzent
erhalten, der gleichzeitig auch eine Visitenkarte unserer Gemeinde ist.
Namens des Gemeinderats und der Gemeindeverwaltung darf ich Ihnen
verehrte Frau Honstetter, der Betriebsleitung und ihren
Betriebsangehörigen herzliche Glückwünsche übermitteln. Wir freuen
uns mit Ihnen über das gelungene Werk und hoffen und wünschen, daß
die Entwicklung Ihrer Firma die Verwirklichung bald ermöglicht. Ein
Schritt zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine
rationellere Fertigung ist getan, mögen ihm bald weitere folgen.
Meine Damen und Herren, Sie werden jetzt denken, der Bürgermeister
hat gut reden. Er sieht schon die Gewerbesteuer fließen! Es wäre wohl
nicht ganz ehrlich würde ich sagen, das sei nicht wahr.
Unserer Meinung nach wäre es aber keine gute Richtschnur, würden
sich Gemeinderat und Gemeindeverwaltung allein von dem Trachten nach
mehr Gewerbesteuer leiten lassen. Sicher spielt sie bei den
gemeindlichen Überlegungen eine Rolle. Unsere Finanzverfassung, der
schlechte, den heutigen Verhältnissen in keiner Weise gerecht werdende
Gewerbesteuerausgleich und die Fülle der durch die Kriegsfolgen
bedingten Aufgaben zwingen uns dazu.
Richtige Kommunalpolitik muß jedoch von der Struktur der Gemeinde
und der daraus folgenden Zielsetzung, der Verkehrslage und besonders des
Gesamtraumes und seinen Bedürfnissen ausgehen. Die soziologische
Zusammensetzung der Bevölkerung spielt hier eine besondere Rolle.
Unsere Gemeinde hat sich von 1.600 Einwohnern im Jahre 1939 auf 3.800
Einwohner vergrößert. Der der Landwirtschaft zur Verfügung stehende
Boden aber ist gleich geblieben. Die kommunalpolitischen Bemühungen der
Gemeinde mußten deshalb darauf gerichtet sein, die Voraussetzung für
die Schaffung weiterer Arbeitsplätze zu schaffen, da heute rund 9/10
unserer arbeitsfähigen Bevölkerung in der Industrie und im Handwerk
ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Wir haben hier einige Erfolge
verzeichnen können. Die Zahl von über 600 Auspendlern – nach Abzug
der Einpendler – zeigt, daß wir deshalb die Bemühungen der Firma
Linder um einen geeigneten Bauplatz unterstützen mußten. Bei der
Ansiedlung ging es uns von Anfang an darum, möglichst vielseitige
Zweige zu gewinnen und vor allem dem Klein- und Mittelbetrieb eine
Chance zu geben.
Auch den Uneinsichtigsten ist durch die Steigerung der Verkehrsmisere
in der Zwischenzeit klar geworden, daß dem Schlagwort – Industrie
aufs Land – eine klare Konzeption und entsprechende Bemühungen folgen
müssen. Schon spricht die Bundesbahn davon, die Kommunen müßten zum
Berufsverkehr Zuschüsse leisten. Wenn man alle diese Schwierigkeiten
sieht, kann man sich nur darüber wundern, daß man aus den Auswirkungen
des Krieges, aber auch der schweren Zeit 30/33 nicht mehr gelernt und
erst jetzt die verheerenden Folgen der industriellen Verdichtungsräume
sieht. Es ist deshalb keine Forderung ehrgeiziger Bürgermeister und
nach mehr Gewerbesteuer trachtender Gemeinden, wenn heute die Forderung
erhoben wird, die Verdichtungsräume aufzulockern und Industrie in
Landgemeinden anzusiedeln, sondern eine klare Erkenntnis der gegebenen
Verhältnisse und der großen Vorzüge, die in soziologischer,
verkehrspolitischer wie auch politischer Sicht in einer Stärkung des
flachen Landes liegt. Durch die Untersuchungen der
Planungsgemeinschaften wissen wir heute, daß wir mit unseren
Bemühungen auf dem richtigen Wege sind.
Wir begrüßen es deshalb sehr, daß die Firma Alex Linder zu uns
gekommen ist und daß der erste Bauabschnitt ohne Komplikationen heute
in diesem feierlichen Rahmen übergeben werden kann. Wir hoffen und
wünschen Ihnen, Frau Honstetter, der Geschäftsleitung und allen Ihren
Mitarbeitern viel Erfolg, Blühen und Gedeihen Ihrer Firma und die
Verwirklichung Ihrer Wünsche.
4. September 1964
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