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Reden und Texte

 

Virtuelles Erich Scherer Archiv

 

Bürgermeister der Aufbaujahre verstorben –
Ein Nachruf

 

Unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit wurde Anfang des Jahres der weit über seine Gemeinde Frickenhausen hinaus bekannte Kommunalpolitiker Erich Scherer beigesetzt. Er gehörte zu den dienstältesten Bürgermeistern Baden-Württembergs. Als ‚erster Diener der Bürger’ war er 38 Jahre ununterbrochen im Amt. Der in Mössingen-Talheim geborene Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande war 1948 bei großer Wahlbeteiligung mit einem Stimmanteil von 92 % gewählt in späteren Jahren vergleichbar immer wieder im Amt bestätigt worden. Zum Ende seiner Tätigkeit 1986 erhielt er die Ehrenbürgerschaft Frickenhausens. An seinem Grab nahmen über tausend Trauergäste, darunter Repräsentanten des Kreistages und Gemeindetages, Bundes- und Landtagsabgeordnete, zahlreiche Bürgermeister der umliegenden Orte, Vertreter von Vereinen, Schulen, Feuerwehren, Behinderteneinrichtungen und Hunderte von Bürgern der Landkreise Esslingen und Tübingen Abschied von „ihrem Bürgermeister“, der wie kaum ein anderer das Vertrauen seiner Wähler genoss. Für sie war er der Motor des Aufbaus in den Nachkriegsjahren. Als er das Rathaus verließ, war Frickenhausen eine wirtschaftlich stabile und schuldenfreie Gemeinde. Der hohe Anteil angesiedelter Betriebe sicherte sogar erhebliche finanzielle Rücklagen.

Erich Scherer gehörte mehr als 25 Jahre dem Kreistag an, wirkte in dessen Wirtschafts- und Finanzausschuss und war 2. stellvertretender Vorsitzender des Sozialausschusses. Von 1949 bis 1966 leitete er als Vorstandsvorsitzender der Volksbank (ehem. Genossenschaftsbank) deren Wachstum. Neue Wege in der Politik der öffentlichen Wasserversorgung ermöglichte er als stellvertretender Verbandsvorsitzender und Mitglied des Verwaltungsrates der ‚Blau-Lauter-Gruppe’. Zudem agierte er als Gründungsmitglied des Abwasserverbandes ‚Neuffener Tal’. Anstöße gab er im Bereich der Behinderten- und Altenhilfe und in der Bildungspolitik: Erich Scherer gehörte zu den Gründern des Hauptschulverbandes. Von 1952 bis 1956 sicherte er als Aufsichtsrat der ‚Siedlungsbau Neckar-Fils’ den Neubau von Wohnungen. Als Bürgermeister verpflichtete er sich der Sacharbeit, politisch überparteilich fand er seine Heimat bei den Freien Wählern (FUW). Hohen Respekt zollte er Politikern wie Georg Gallus, Erwin Teufel und Willy Brandt.

Als Ehrenmitglied zahlreicher Vereine und kommunaler Vereinigungen galt Erich Scherer als wichtige Orientierung für die Bürger, die einen Weg in das Leben der jungen Bundesrepublik suchten. Am Ehrengrab verneigte sich die Gemeinde in Dankbarkeit vor einer integren Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Er starb am 29. Dezember 1993 kurz vor seinem 75. Geburtstag.

 

Welf Schröter

Talheim, Januar 1994